Manchmal braucht es auf dem Bau Humor: «Ich mache das Gleiche wie du, schaffe!»
Die Grundbildung zur Elektroinstallateurin war für Michelle Fellmann der Plan B. Nun ist die 20-Jährige aus Basel im vierten Lehrjahr und erzählt uns von ihrer Berufswahl und ihren Erfahrungen.
Michelle, war für dich von Anfang an klar, dass du Elektroinstallateurin werden möchtest?
Nein, ganz und gar nicht. Im Kindergarten und in der Primarschule wollte ich Lehrerin werden. In der neunten Klasse war der Beruf Schreinerin mein absoluter Favorit. Ich habe dann auch drei Schnupperwochen als Schreinerin absolviert.
Und dann hast du dich doch für Elektroinstallateurin entschieden?
Dieser Entscheid war nicht ganz freiwillig. Bei der Suche nach einer Lehrstelle als Schreinerin habe ich viele Absagen erhalten. Im 10. Schuljahr empfahl mir meine Lehrerin deshalb, mir einen Plan B zu suchen. Und dieser Plan B war Elektroinstallateurin. So machte ich zwei einwöchige Schnupperlehren als Elektroinstallateurin. Die Schnupperwochen machten Spass. Mir gefiel vor allem das Technische. Und ich war mit tollen Leuten unterwegs. Ich bekam ein anderes Bild vom Elektroinstallateur und entschied mich dann für diesen Beruf.
Was sagten deine Eltern zu deiner Berufswahl?
Meine Eltern waren der Meinung, dass ich mich selbstständig und ohne grosse Ablenkungen oder Einmischungen entscheiden soll. Sie wären wohl mit allem einverstanden gewesen.
Wie reagierten die Lehrpersonen und deine Kolleginnen resp. Kollegen?
Meine Lehrerinnen und Lehrer waren froh, dass ich endlich eine Anschlusslösung hatte. Und meine Kolleginnen und Kollegen unterstützten mich in meiner Entscheidung. Vorurteile oder Skepsis von dieser Seite habe ich nie erlebt.
Würdest du dich heute gleich, also nochmals für den Beruf Elektroinstallateurin entscheiden?
Ich würde mich heute nicht mehr von Anfang an auf einen oder zwei Berufe fixieren, sondern noch weitere Berufe anschauen. Die Auswahl ist ja sehr gross. Die Grundbildung würde ich aber auch heute nochmals machen. Elektroinstallateurin ist ein toller und vielseitiger Beruf. Und man kann mit tollen Leuten zusammenarbeiten.
Du hast einen Plan B erwähnt, weil die Lehrstellensuche für dich nicht einfach war. Was denkst du, weshalb war das so?
Für die Grundbildung Schreiner/in habe ich acht Bewerbungen geschrieben. Ich durfte zu drei Vorstellungsgesprächen und habe, wie bereits erwähnt, drei Schnupperwochen absolviert. Die restlichen fünf Betriebe sagten ab. Der häufigste Grund für diese Absagen war die Tatsache, dass ich eine Frau bin. Zum einen spielen hier Vorurteile mit, zum anderen waren die Betriebe einfach nicht auf weibliche Mitarbeitende eingestellt. So fehlten z. B. Garderoben oder Toiletten.
Elektroinstallationsbetriebe scheinen hier schon weiter zu sein. Ich habe drei Bewerbungen geschrieben. Ich hatte drei Vorstellungsgespräche und hätte bei allen Betrieben eine Schnupperwoche machen können. Da ich bereits bei zwei Betrieben ein Lehrstellenangebot hatte, habe ich auf die dritte Schnupperwoche verzichtet. Ich war willkommen und hatte die Auswahl.
Du sprichst oft von den tollen Leuten. Kannst du uns etwas mehr über dein Team erzählen?
Ich arbeite in einer Abteilung mit etwa 50 Personen. Wir sind zwei Frauen. Meine beiden Projektleiter haben rund 15 bis 20 Leute unter sich. Ich selber arbeite in einem 4er-Team. Ich werde wie ein volles Teammitglied behandelt, meine Ideen werden angenommen und ich bekomme die Anerkennung, die ich brauche. Im ersten Lehrjahr war ich noch schüchterner und musste mir zuerst einen Platz im Team erarbeiten. Das war aber nicht so schwierig, weil ich mit offenen Armen empfangen wurde.
Wie erlebst du die Arbeit auf der Baustelle?
Ich erlebe die Arbeit sehr positiv. Es gibt nur selten Probleme. Und wenn es Probleme gibt, dann weiss ich mir zu helfen oder weiss, wo ich Hilfe holen kann. Am Anfang schauen die Leute schon komisch. Manchmal werde ich gefragt, was ich hier mache. Derartige Fragen nehme ich mit Humor und antworte: «Das Gleiche wie du, schaffe!» Frauen auf dem Bau sind halt schon noch ein ungewohntes Bild.
Welche Erfahrungen machst du in der Berufsschule?
Ich habe eine super Klasse. Ich wurde von Anfang an gut aufgenommen. Und die Klassenlehrpersonen finden es toll, dass ich in der Klasse bin.
Weshalb sollten sich junge Frauen für eine Grundbildung als Elektroinstallateurin entscheiden? Was würdest du ihnen mit auf den Weg geben?
Wir Frauen können auch körperlich arbeiten und machen das sogar oft besser, schneller und genauer als die männlichen Lernenden. Als Mädchen oder junge Frau sollte man sich nicht schämen, wenn einem körperliche Arbeit Spass macht – im Gegenteil! Jeder Mensch darf lernen, was er oder sie will. Man muss selber entscheiden, was man machen möchte, und sich nicht an die typischen Klischees und Frauen- oder Männerberufe halten.
Hast du schon irgendwelche Zukunftspläne?
Im Vordergrund steht derzeit das Bestehen der Lehrabschlussprüfung. Danach mach ich sicherlich eine Weiterbildung. In welche Richtung die gehen wird, weiss ich derzeit aber noch nicht genau, allenfalls etwas im elektrotechnischen Bereich. Oder dann ganz was anderes. Wir werden sehen.