Bauarbeitenverordnung 2022

Am 1. Januar 2022 ist die total revidierte Bauarbeitenverordnung (BauAV) in Kraft getreten. Sie hat Auswirkungen auf das gesamte Bauwesen in der Schweiz. Auch die Elektrobranche ist betroffen.

Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept

Nach Artikel 4 der neuen BauAV muss vor Beginn der Bauarbeiten ein Konzept vorliegen, das alle Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen aufzeigt und insbesondere die Notfallorganisation beinhaltet. Der Artikel sieht keine bestimmte Form für das Konzept vor, es muss aber zwingend schriftlich vorliegen. Serviceaufträge sind von dem Artikel nicht ausgenommen, da sich die BauAV auch auf die Instandstellung, die Änderung, der Unterhalt und die Kontrolle bezieht.

EIT.swiss hat in Zusammenarbeit mit Batisec ein Mustersicherheitskonzept für Baustellenarbeiten erstellen lassen. Diese beinhaltet die wichtigsten Notfallnummern, eine Aufzählung der zu erwartenden Gefahren und einen Verweis auf die Massnahmen im Batisec Handbuch. Für grosse Baustellen muss von den Elektrounternehmen nur ein Konzept für die spezifischen elektrischen Gefahren (z.B. 5+5 Regeln, ESTI-Weisung 407) erstellt werden. Für die allgemeinen Gefahren ist kein eigenes Konzept nötig, solange die Mitarbeitenden hinsichtlich des übergeordneten Konzepts der Bauleitung instruiert worden sind.

EIT.swiss hat zusammen mit der Suva auch eine praxistaugliche Lösung für Servicearbeiten entwickelt, welche den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird. Sie beinhaltet zwei Elemente: Einerseits muss mit allen betroffenen Mitarbeitenden im Servicebereich regelmässig (mind. jährlich) eine Instruktion über die gängigsten Gefahren im Servicebereich durchgeführt werden. Und andererseits sind die Gefahren bei einem Auftrag vor Beginn der Arbeiten auf einem Kurzformular festzuhalten.

Eine wichtige Rolle kommt dabei der betrieblichen Gefahrenermittlung zu. Jedes Unternehmen kann mittels Gefahrenermittlung jene Gefahren festhalten, die es im Rahmen seiner Tätigkeit zu erwartet hat. Die Branchenlösung Batisec bietet dazu in ihrem Handbuch (Kapitel 5) Vorlagen für Gefahrenermittlungen in den Bereichen Elektro, Gebäudetechnik, Büro und eben neu Servicearbeiten. Die dadurch erhobenen Gefahren sollten Teil der regelmässigen Instruktion sein, die die Betriebe mit ihren Servicekräften durchführen. Die so instruierten Inhalte gelten dann als „Standardgefahren“. Dabei sind die Unternehmen frei darin, Gefahren festzulegen, welche sie standardgemäss erwarten. 

Vor Ort müssen die Servicefachleute nach einer kurzen Inaugenscheinnahme festhalten, ob am Arbeitsort nur die geschulten Standardgefahren oder weitergehende Gefahren vorliegen und welche Massnahmen deshalb getroffen werden müssen. Dies hilft auch bei der Verrechnung, z.B. falls zusätzliche PSA oder andere zusätzliche Arbeitsmittel benötigt werden. Es ist wichtig, dass die Aufzeichnung der Gefahren vor Beginn der Arbeiten erfolgt und quittiert wird. Batisec stellt für die Inaugenscheinnahme ein Kurzformular zur Verfügung. Unternehmen können aber auch eigene Dokumente verwenden. EIT.swiss empfiehlt, das Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept in die Auftrags- bzw. Rapportformulare zu integrieren.

Tragbare Leitern und Absturzssicherung

Betreffend die Bestimmungen über tragbare Leitern setzt sich in der BauAV fort, was schon bis anhin gegolten hat: Leitern sollten nur dann als Arbeitsmittel eingesetzt werden, wenn in Hinblick auf die Sicherheit kein anderes Arbeitsmittel geeigneter ist. Ein eigentliches Leiterverbot besteht nicht. Neu ist hingegen, dass ab einer Standhöhe von 2 Metern nur noch Arbeiten von kurzer Dauer ausgeführt werden dürfen und Absturzsicherungen getroffen werden müssen. Betreffend Leistungspositionen im NPK bis zu einer Arbeitshöhe von 3,5 Metern ist zudem keine Änderung vorgesehen, da die Standhöhe von 2 Metern als Ausgangslage dient.

Nach dem STOP-Prinzip ist es dabei sinnvoller, die tragbaren Leitern durch Podest- oder Teleskopleitern, Hebebühnen und ähnliche Arbeitsmittel zu ersetzen, anstatt Arbeiten mit einer Persönlichen Sicherheitsausrüstung gegen Absturz (PSAgA), die zuvor eine Ausbildung verlangt, durchzuführen. Die Beschaffung solcher Arbeitsmittel mag im ersten Moment zu Mehrkosten führen, bietet aber auch ein Mehr an Sicherheit für die Mitarbeitenden – der Sturz von der Leiter gehört immer noch zu den verbreitetsten Unfällen der Elektrobranche. Betroffen von den neuen Bestimmungen sind etwa 5 Prozent aller Arbeiten von Elektrofachleuten

Weiteren Änderungen

Die wichtigsten Änderungen im 2. Kapitel der BauAV (alle Bauarbeiten):

  • Der Begriff «beschränkt durchbruchsicher» entfällt (Art. 12, 44, 45).
  • Der Geländerholm des Seitenschutzes muss mindestens 100cm über der Standfläche liegen (Art. 22).
  • Bei Niveauunterschieden von mehr als 50cm sind geeignete Arbeitsmittel einzusetzen, um sie zu überwinden (Art. 15).
  • Bei der Montage von vorgefertigten Deckenelementen sind ab einer Absturzhöhe von mehr als 3m vollflächig Auffangnetze oder Fanggerüste zu verwenden (Art. 27).
  • Im Gefahrenbereich von Transportfahrzeugen oder Baumaschinen dürfen sich keine Personen aufhalten. Kann dies nicht ausgeschlossen werden, ist der Gefahrenbereich zu überwachen (Art. 19).
  • Der Arbeitgeber muss seine betroffenen Mitarbeitenden über die Ergebnisse von Schadstoffgutachten informieren (Art. 32). 

Die wichtigsten Änderungen im 3. Kapitel der BauAV (Arbeiten auf Dächern):

  • An Dachrändern sind ab einer Absturzhöhe von mehr als 2m Massnahmen zu treffen, um Abstürze zu verhindern (Art. 41). Eine Ausnahme gilt für Arbeiten von geringem Umfang. Für diese sind Massnahmen erst ab einer Absturzhöhe von mehr als 3m erforderlich (Art. 46).
  • Eine Dachdeckerschutzwand am Spenglergang des Fassadengerüsts ist ab einer Dachneigung von 30° erforderlich (Art. 41 Abs. 2).
  • Bei einer Dachneigung von mehr als 45° sind zusätzliche Schutzmassnahmen zu treffen. (Art. 41 Abs. 2)
  • Eine Dachfangwand darf für Arbeiten auf bestehenden Dächern nur noch bis zu einer Dachneigung von 45° eingesetzt werden (Art. 42).