ElCom präsentiert neue Analysen zum Umfang notwendiger Reservekapazitäten
Die ElCom hat ihre Analysen zur mittel- und längerfristigen Stromversorgungssicherheit aktualisiert. Einerseits hat sie Swissgrid beauftragt, ihre Analyse zur Versorgungsstabilität 2025 mit angepassten Szenarien neu zu rechnen. Anderseits hat die ElCom ihre Berechnungen zur Winterproduktionsfähigkeit bis 2035 mit neuen Prognosen zur Laufzeit der Kernkraftwerke, der Stromnachfrage sowie dem Ausbau der Erneuerbaren aktualisiert. Darauf basierend empfiehlt die ElCom eine thermische Reservekraftwerkskapazität im Umfang von mindestens 400 Megawatt (MW) für das Jahr 2025 und 700 bis 1400 MW ab 2030. Wegen der grossen Unsicherheiten ist ein schrittweises Vorgehen sinnvoll, um den Zubau von Reserven bei Bedarf anpassen zu können.
Die Studie zur sog. «System Adequacy» analysiert die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz für das Jahr 2025. In den von der Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid im Auftrag der ElCom erstellten Simulationen wird das Zusammenspiel von Kraftwerkskapazitäten, Stromverbrauch sowie von Stromimporten und -exporten untersucht. Alle Annahmen und Ausgangsdaten wurden vom Steuerungsgremium mit Vertretern von BFE und ElCom vorgegeben. Die unterstellten Szenarien wurden im Vergleich zur letzten Analyse aus dem Jahr 2021 angepasst. Dies aufgrund der jüngsten Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und den damit verbundenen Gasknappheitsszenarien in Europa sowie den ausserordentlich tiefen Verfügbarkeiten französischer Kernkraftwerke (KKW). Zudem wurden die Annahmen über die Verfügbarkeit inländischer Stromproduktion angepasst (insb. Betrieb von Beznau I und II über 2025 hinaus). Die bestehenden Reservekraftwerke in Birr, Cornaux und Monthey sowie die Notstromaggregate wurden dabei ausgeklammert.
Empfehlung: 400 MW Kraftwerksreserve für 2025
Im aktualisierten Referenzszenario kommt es in keiner der Simulationen zu Versorgungsproblemen. Auch im evaluierten Stressszenario (mit Gasknappheit und tiefer KKW-Verfügbarkeit) treten zwar in den meisten Simulationen keine Knappheiten auf, doch sind sie nicht auszuschliessen. In einem «Worst Case» wäre mit einer fehlenden Strommenge von rund 500 Gigawattstunden (GWh) zu rechnen. Wird der in den Simulationen relativ hoch angenommene internationale Redispatch (Kraftwerkseingriffe zur Netzstabilisierung) auf die Hälfte reduziert, sinkt die fehlende Strommenge im «Worst Case» auf 113 GWh. Die für die Verhinderung von Knappheit benötigte Reservekapazität beträgt in diesem Fall ca. 600 MW, falls diese rein kurativ (also erst ab dem Zeitpunkt der Knappheit) eingesetzt würde. Bei einigen Tagen präventiven Einsatzes kann Knappheit bereits mit 400 MW Reservekapazität gänzlich verhindert werden. Diese Reservekapazität würde ausserdem ausreichen, um einen Engpass auch bei hohem Redispatch zu vermeiden, sofern die Anlagen bereits während 7 Wochen präventiv eingesetzt würden.
Reservebedarf steigt längerfristig
Für den längerfristigen Ausblick 2030 bzw. 2035 hat die ElCom zudem ihre Winterproduktionsanalyse aktualisiert. Der Fokus liegt dabei auf der Stromproduktion und der Nachfrage im Inland, während Entwicklungen im Ausland und damit die Importmöglichkeiten ausgeklammert werden. Die Analyse liefert vereinfachende Messgrössen für die längerfristige Resilienz der Schweizer Versorgung. In der Analyse werden zwei Kennzahlen erhoben. Einerseits dient – wie bereits im letzten Grundlagenpapier der ElCom – der Importbedarf im Winterhalbjahr als Kenngrösse. Anderseits werden ergänzend die Anzahl Tage ermittelt, während derer sich die Schweiz gegen Ende des Winters, wenn die Saisonspeicher bereits zu grossen Teilen geleert sind, selbst versorgen könnte. Dies unter der Annahme, dass Importe aufgrund einer angespannten Versorgungslage in Europa temporär gänzlich ausfallen würden.
Dabei macht die ElCom keine eigenen Prognosen zur Entwicklung von Produktion und Nachfrage, sondern definiert Szenarien aufgrund verschiedener Prognosen anerkannter Institute sowie politischen Zielen. Als Richtgrössen für eine minimale Resilienz werden die vom Parlament definierten Winterimportgrenzen (5000 GWh bzw. 20% des durchschnittlichen Stromverbrauchs im Winterhalbjahr) bzw. mindestens 22 Tage Eigenversorgungsfähigkeit (ungefährer aktueller Wert sowie Richtwert gem. Botschaft Mantelerlass) unterstellt. Beide Kennzahlen illustrieren die sehr grosse Ungewissheit über die Entwicklung der Versorgungsresilienz: Um die Richtgrössen (bei unterstellter KKW-Laufzeit von 60 Jahren) einzuhalten, wären je nach unterstelltem Szenario zwischen 0 und 1400 MW bis 2030 bzw. zwischen 0 und 2100 MW bis 2035 Reserve mit Dauerleistungsfähigkeit nötig.
Basierend auf den beiden Analysen sowie der Annahme einer KKW-Laufzeit von 60 Jahren empfiehlt die ElCom eine thermische Reservekraftwerkskapazität zur Erhöhung der Resilienz im Umfang von mindestens 400 MW bis 2025 und 700 bis 1400 MW bis 2030. Gerade wegen der grossen Unsicherheiten über das Ausmass und v.a. die Geschwindigkeit des Erneuerbaren-Ausbaus sowie der Entwicklung der Stromnachfrage ist nach Ansicht der ElCom eine solche Versicherung für die Schweizer Versorgungssicherheit nötig. Ausserdem hält sie deswegen ein schrittweises Vorgehen und eine laufende Re-Evaluation der Entwicklungen für sinnvoll, um allenfalls den Zubau von Reserven zu adjustieren. Solche Reserven wären ausserhalb des Marktes und würden nur dann eingesetzt, wenn in einer tatsächlichen Knappheitssituation das Angebot im Markt die Nachfrage nicht mehr decken kann.
Quelle: Eidgenössische Elektrizitätskommission