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Berufsunfälle: Die Vorbereitung ist das Wichtigste

Die Suva versichert seit 100 Jahren Berufstätige und sorgt dafür, dass nach einem Unfall nicht auch noch die Existenz bedroht ist. Doch die Versicherung leistet heute viel mehr. Sie ist präventiv tätig. Davon profitieren auch Elektroinstallateure.

Baustellen sind häufig die Quelle für Unfälle. Auch bei Elektroinstallateuren. Schnittverletzungen, Stürze und Stolperunfälle kommen dabei häufiger vor als Stromschläge. Der Grund dafür ist sicher das grössere Gefahrenbewusstsein im Umgang mit Elektrizität. Gleichzeitig zeigt die Präventionsarbeit Wirkung, die die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) gemeinsam mit EIT.swiss durchführt. Dass die Suva 2018 ihr 100-Jahr-Jubiläum feiert, bietet Anlass genug, auf ihre erfolgreiche Vergangenheit zurückzublicken. Denn die Versicherung hat es geschafft, drei wichtige Ziele zu erfüllen: Einerseits hat sie den Berufstätigen durch die Versicherung ein Stück soziale Sicherheit gegeben, andererseits verhindert sie mit zahlreichen Kursen und Aufklärungskampagnen Arbeits- und Freizeitunfälle. Zudem sorgt sie für Impulse in der Unfallmedizin. Dank dieses Leistungsausweises gehört die Suva heute zu den unumstrittenen sozialen Errungenschaften im Land – mit einem Stellenwert wie Krankenversicherung oder AHV. Noch vor 100 Jahren brachte ein schwerer Arbeitsunfall eine Familie an den Rand der Existenz – mit allen schlimmen Folgen wie Bettelei oder Kinderarbeit.

Es darf keine Unfälle mehr geben

Die Quelle für Unfälle bei Elektroberufen ist – wie erwähnt – häufig die Baustelle. Doch auf der Baustelle hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert. Leitern wurden durch Gerüste ersetzt, auf dem Boden herrscht Ordnung, die Schutzhelme sind nicht mehr wegzudenken und der Bierharass ist verschwunden. «Das Gefahrenbewusstsein hat stark zugenommen», erklärt Roland Schürmann, bei der Suva verantwortlich für die Elektroberufe. Er fährt fort: «Moderne Arbeitsmittel wie Hubarbeitsbühnen, Rollpodeste oder Podestleitern ermöglichen ein sichereres Arbeiten als die gewöhnliche Bockleiter. Zusätzlich ist die Akzeptanz für das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung stark gestiegen.» Doch dann kommt Schürmann gleich auch auf die Schwierigkeit zu sprechen. «Eigentlich dürfte es auf Baustellen keine schweren Unfälle mehr geben. Die Gefahren sind bekannt. Die Unfälle sind oftmals auf das Nichteinhalten der lebenswichtigen Regeln zurückzuführen. » Dies belegt folgendes Beispiel: Auf einer Baustelle sollte ein Mitarbeiter das Messgerät dem für die Messungen befugten Kollegen bringen. Er wollte die Kurzschlussmessungen aber gleich selber durchführen und steckte die Messleitungen, wegen fehlenden Fachwissens, falsch zusammen. Dabei ereignete sich ein Kurzschluss über die Messleitungen. Der so entstandene Lichtbogen fügte dem Mitarbeiter Verbrennungen an der Hand und im Gesicht zu. Roland Schürmann: «Bei Arbeiten im Bereich der Hochspannung ist das Gefahrenbewusstsein geschärft, doch wenn es um Niederspannung geht, sind die Sensoren häufig weniger aktiviert. Das Risiko wird unterschätzt.» Leider haben Unfälle mit Hoch- oder Niederspannung oftmals gravierende Folgen. Das Risiko, bei einem Elektrounfall das Leben zu verlieren, ist 50-mal höher als bei anderen Unfällen. Nicht zu vernachlässigen sind auch die sekundären Unfälle: Wenn ein Monteur als Folge des Stromschlages von der Leiter oder dem Gerüst fällt und sich durch den Sturz schwer verletzt. Damit es nicht so weit kommt, müssen bei Arbeiten an elektrischen Anlagen immer zuerst die potenziellen Gefahrenherde eliminiert werden, bevor mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden kann. Dies ist Teil der «5 + 5 lebenswichtigen Regeln im Umgang mit Elektrizität für Elektrofachleute». Die Grundlage dieser Regeln hat die Suva zusammen mit weiteren Organisationen der Elektrizitätsbranche erarbeitet. Beim ESTI (Eidgenössisches Starkstrominspektorat) laufen auch die Statistiken der Elektrounfälle zusammen und werden ausgewertet, denn für Stromunfälle gibt es eine gesetzliche Meldepflicht. Die Präventionsarbeit zeigt Wirkung, denn in den Jahren 2016 und 2017 gab es in der Branche keine tödlichen Elektrounfälle.

Elementare Arbeitsvorbereitung

Eine wichtige Erkenntnis ergibt sich aus der Analyse der Arbeitsunfälle. Zentral ist die Arbeitsvorbereitung. Ein Elektroinstallateur oder eine -installateurin muss sich genau überlegen, was auf der Baustelle benötigt wird. Wenn jemand etwas vergisst, wird aus Bequemlichkeit allzu oft der riskante Weg gewählt und die Arbeit trotzdem durchgeführt. Wer die Empfehlungen der Suva und EIT.swiss befolgt, weiss, dass es eine gründliche Arbeitsvorbereitung mit Beurteilung der Risiken braucht. «Unklarheiten bergen Gefahren», erklärt Roland Schürmann. Was passiert, wenn die Regeln nicht eingehalten werden, zeigt das eben erwähnte Beispiel mit den Verbrennungen an der Hand und Gesicht. Weder kannten die Mitarbeitenden die «5 + 5 lebenswichtigen Regeln» noch hatten sie die erforderlichen Schutzausrüstungen für Arbeiten unter Spannung dabei. Die Arbeiten wurden ohne Auftrag durchgeführt, die Mitarbeitenden wurden nicht kontrolliert, die richtigen Arbeitsmittel waren nicht vorhanden und der Ausbildungsstand entsprach nicht den Anforderungen der ausgeführten Arbeiten.

Eigenverantwortung wahrnehmen

Die Verhinderung von Arbeitsunfällen ist heute keine Frage von technischen Massnahmen mehr. Für die Sicherheit wurde und wird in Zukunft viel getan. Gerade bei Tätigkeiten an elektrischen Anlagen ist aber fundiertes Wissen und ein korrektes Verhalten bei der Arbeitsausführung sehr wichtig. Die Vorgesetzten sind auf der einen Seite aufgefordert, die Umsetzung der lebenswichtigen Regeln konsequent zu instruieren, zu kontrollieren und durchzusetzen. Auf der anderen Seite sind die Mitarbeitenden gefordert, die Regeln konsequent einzuhalten. Mit der Initialisierung der Sicherheitscharta (www.sicherheits-charta.ch) hat die Suva zusätzlich eine Plattform für ein Bündnis für mehr Arbeitssicherheit zwischen den an der Arbeit beteiligten Partnern geschaffen. Wenn es dennoch zum Unfall mit gravierenden Folgen kommt, wird aus einem Elektroinstallateur ein Case der Suva. Die Suva begleitet Verunfallte auf ihrem Genesungsprozess eng. Roland Schürmann: «Das wichtigste Ziel ist es, sie möglichst schnell wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern.»