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Interview: Das Buch zu BIM

Drei Experten, ein heisses Thema, ein Buch, ein Ziel: «beyond VDC» ist auf die Elektrobranche zugeschnitten und vermittelt in unterschiedlichen Levels alles, was man über BIM und VDC wissen muss. Ein Interview des EIT.swiss Magazins mit zwei der drei Autoren.

EIT.swiss Marcel, wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Buch über BIM und VDC zu schreiben?

Marcel Pfrunder: Es ist Zeit, das Thema in der Branche anzustossen (lacht). Nein, viele Installateure und Planer warten im Moment noch ab. Haben Respekt. Sie fragen mich: «Meinst du, das kommt auch für uns? Das gibt doch nur Probleme.» Das sehen wir anders, und das zeigt auch die Praxis. Es sind immer mehr Ausschreibungen im Umlauf, bei denen der Bauherr BIM-Leistungen vom Installateur erwartet. Im MAS Digitales Bauen, das ich derzeit an der FHNW absolviere, ist die Idee für dieses Buch entstanden. Wir stellten fest, dass ein VDC-Grundlagenbuch mit branchenrelevanten Inhalten zurzeit noch fehlt. Jetzt ist der richtige Moment dafür, und das Buch hilft allen in der Elektrobranche beim Einstieg in dieses sehr spannende Thema. Zudem ist es in der hiesigen Sprache geschrieben. Das hilft.


EIT.swiss Du meinst, das MAS Digitales Bauen hat dich geprägt.

Marcel Pfrunder: Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich vor drei Jahren für dieses MAS bei der FHNW eingeschrieben. Was wir hier lernen und aus der Praxis erfahren, ist grossartig. Ich bin jetzt so begeistert von den Möglichkeiten von BIM, dass ich mich zwischendurch auch mal wieder bremsen muss. Denn die Praxis ist noch nicht in der ganzen Breite soweit fortgeschritten wie die im Unterricht präsentierten Beispiele. Ich war nicht immer so überzeugt von BIM und VDC, aber heute sehe ich, dass die neuen Methoden für unsere Branche ein enormes Potenzial bieten. Diese Chance sollten wir nutzen.

Peter Scherer: Das ist in der Tat so. Mir ist es auch so ergangen. Anfangs habe ich auch gedacht, es wird alles beim Alten bleiben. Aber wenn sich etwas ändern soll, müssen wir etwas ändern. Das klingt einfach und logisch. Aber die Leute haben manchmal das Gefühl, es ändere sich etwas, indem man nichts ändert. Eine schwierige Vorstellung.

Marcel Pfrunder: Es ist irgendwie eine Grundrespekt vorhanden. Davor, etwas Neues lernen zu müssen. Aber es geht hier eigentlich weniger um etwas Neues als um die Art und Weise des Bauens und des Miteinanders, das sich über viele Jahre durch, oder besser gesagt, mit der Digitalisierung weiterentwickelt hat. Die Industrie hat hier bezüglich Effizienz die letzten Jahre mehr geleistet als die Baubranche.


EIT.swiss Die Elektrobranche ist ja aber nicht die einzige, die in die Entwicklung von BIM und VDC eingebunden ist.

Peter Scherer: Das ist korrekt. Alleine wäre das auch schwierig. Alle bekannten Berufsverbände haben den Ball aufgenommen und gestalten die Zukunft aktiv. Aber erst, wenn die Entwicklung bei Bauherrschaften, Architekten, in der Gebäudetechnik und Elektroinstallation «synchron» bzw. koordiniert abläuft, entwickelt VDC im Projekt die beste Performance.


EIT.swiss Wer müsste denn in einem Projekt als erster damit anfangen?

Peter Scherer: Meine Erfahrung: Jeder kann starten, egal, ob ihr Installateure oder Planer seid, wartet nicht auf die anderen. Wir haben spannende Implementierungsprojekte von ausführenden Unternehmungen oder von Planungsfirmen. Beginnt damit eure Erfahrungen zu machen und vor allem damit, die bestehenden Arbeitsweisen zu hinterfragen. Schon nach kurzer Zeit bringt VDC einen Mehrwert – es werden die ersten, kleinen Potenziale erschlossen. Wer stets auf die anderen wartet, wird nie starten oder am Ende von den anderen getrieben werden.


EIT.swiss Welche konkreten Anwendungen beschreibt ihr im Buch?

Peter Scherer: Wir führen Beispiele aus wie das Abstecken, die Planung und die Berechnung des Kurzschlussstroms, die Berechnung und Platzierung von Unterverteilungen mit Lastberechnung oder die räumliche Koordination zum Beispiel für Lampen, Trasse usw. mit anderen Gewerken. Stichworte Kollisionsprüfung und Koordination. Im Grundsatz geht es aber nicht um eine fachliche Vertiefung, sondern um eine systematische, zielorientierte Arbeitsweise mit wenig Reibungsverlusten für alle Beteiligten. Wir sollten nicht das Hamsterrad schneller drehen lassen, sondern vor allem die Kraft richtig einsetzen.

Marcel Pfrunder: Und anzumerken ist, dass diese Anwendungsfälle so ausgewählt sind, dass sich unsere Planer und Installateure darin wiedererkennen. Es sind Beispiele, die wir heute oder morgen so auch auf der Baustelle umsetzen werden.


EIT.swiss Magazin BIM wird also einiges ändern.

Marcel Pfrunder: Das ist so, vor allem muss sich die Zusammenarbeit ändern. Hier harzt es im Moment noch am stärksten. Die rollende Planung und der derzeitige serielle Prozess sind problematisch, jeder hat Angst, einen Teil seines Kuchens zu verlieren. «Early Contractor Involvement», also der frühe Einbezug aller Beteiligten, auch des Installateurs, wäre eine gute Entwicklung. Die Umgestaltung der Zusammenarbeit ist genauso essentiell wie der technologische Wandel.

Peter Scherer: Wenn das Wissen der Installateure in einem früheren Zeitpunkt bereits zusammen mit demjenigen der Planer in das Projekt einfliessen kann, entsteht für die Installateure eine ganz neue Chance, sich in einem Projekt zu engagieren. Klassische Ausschreibungen werden hier an ihre Grenzen stossen. Der so genannte Open-Book-Ansatz kann dann zu einer neuen Form der Zusammenarbeit führen.

Marcel Pfrunder: Für die Installateure stellt dies aus meiner Sicht eine Riesenchance dar, um näher an die Bauherrschaften zu kommen.

Peter Scherer: Design-Build, wie dieses Vorgehen auch genannt wird, gibt es eigentlich schon seit einiger Zeit. Nur wurde es in der Schweiz selten bis nie angewendet, es blieb immer beim klassischen Weg von Ausschreibung, Planung und Umsetzung (Design-Bid-Build). Vor allem künftige Grossprojekte von internationalen Bauherren werden dieses bisherige Vorgehen mit grosser Sicherheit aufweichen.


EIT.swiss Zurück zum Buch. Wird es mehr können, als «nur» die Diskussion um BIM zu vertiefen?

Peter Scherer: Davon bin ich überzeugt, der Zeitpunkt für die Publikation ist genau richtig. VDC ist jetzt ein Thema, und es besteht noch ein grosses Wissensvakuum. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein solches Buch auch zusätzliche Begehrlichkeiten auslösen kann.

Marcel Pfrunder: Auf jeden Fall, und ich möchte noch ergänzen, dass das Buch ja «Digitales Planen, Bauen und Bewirtschaften in der Elektrobranche» heisst. Damit nimmt es direkt Bezug auf die aktuellen Themen in unserer Elektrobranche. Das «neue Gemeinsam» besteht darin, dass Planer und Installateure enger zusammenarbeiten. Andererseits sind wir als Autoren natürlich auch gespannt, wie das Buch von der Branche aufgenommen wird. Ich kann nur jedem empfehlen, einen Blick reinzuwerfen und sich davon inspiriert den Veränderungen im Bauwesen anzunehmen.


EIT.swiss Herzlichen Dank euch beiden für das spannende Gespräch und dafür, dass ihr euch so ins Zeug legt, um ein solches Buch in der Schweiz auf den Markt zu bringen. Auch ich wir freuen uns schon darauf und vor allem auf seine Auswirkungen auf die Branche.

Das Interview erschien im EIT.swiss Magazin 01/21