Stories

Nachgefragt bei Sabrina Simmen

Sabrina Simmen, Berufsbildung Schibli Support AG und Vorstandsmitglied EIT.zentralschweiz im Gespräch über das Revisionsprojekt BiVo2022+

Sabrina, neben deinem beruflichen Einsatz für die Berufsbildung bei Schibli und deinem Engagement im Vorstand von EIT.zentralschweiz für Kommunikation und Nachwuchsmarketing hast du dich als Workshopteilnehmerin auch aktiv im Projekt BiVo2022+ eingebracht. Weshalb engagierst du dich so stark für die Berufsbildung?

Das Thema gehört zu meinem Berufsalltag, ist also mein „täglich Brot“. Die Berufsbildung ist für mich aber vor allem auch eine Herzensangelegenheit. Die Elektrobranche ist vielfältig und bietet viele Möglichkeiten! Das möchte ich den jungen Menschen zeigen und sie so für unsere Branche begeistern. Zudem bin ich davon überzeugt, dass unsere Branche nur mit einer nachhaltigen Ausbildungspolitik den zunehmenden Fachkräftebedarf bewältigen kann.

Was genau verstehst du unter nachhaltiger Ausbildungspolitik?

Wir müssen Strategien und Massnahmen entwickeln, um die Ausbildung von Fachkräften langfristig zu verbessern und sie in der Branche zu halten. Dafür müssen wir ihnen Karrieremöglichkeiten aufzeigen und sie begleiten. So profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmende gleichermassen: Wir können auf das Know How unserer Fachkräfte zählen und sie auf spannende Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Branche.

Als Mitglied eines Sektionsvorstands hast du sicherlich auch Erwartungen gegenüber EIT.swiss. Wo sollte sich der nationale Verband stärker einbringen?

Aus meiner Sicht sollte sich EIT.swiss für eine stärkere Vernetzung der Sektionen einsetzen und sie hierbei unterstützen. So können wir die vorhandenen Ressourcen besser nutzen und unsere Branche gemeinsam weiterentwickeln.

Kommen wir zurück zum Projekt BiVo2022+. Ziel der durchgeführten Workshops war es, die Bildungspläne für unsere „klassischen“ Grundbildungen zu entwickeln. Das tönt nach knochentrockener Arbeit. Weshalb hast du an den Workshops teilgenommen?

Die Entwicklung der Bildungspläne ist in der Tat eher etwas Technisches. Die Bildungspläne sind aber wichtig, weil dort Leistungsziele und Kompetenzen definiert werden. Wenn man wie ich etwas für den Berufsnachwuchs bewirken will, dann ist die Mitwirkung bei der Erarbeitung und Revision der Bildungspläne der richtige Ort. Zudem will ich an und für die Basis arbeiten und Grundlagen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Grundbildung schaffen.

Was war aus deiner Sicht die grösste Herausforderung bei der Arbeit in den Workshops?

An den Workshops nahmen viele Personen mit unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen teil. Diese unter einen Hut resp. auf einen Nenner zu bringen, empfand ich als grösste Herausforderung.

An den Workshops waren Lehrbetriebe, aber auch Berufsfachschulen und überbetriebliche Kurse vertreten und das aus fast allen Sektionen. Führt das nicht unweigerlich zu diesem Sammelsurium unterschiedlicher Interessen?

Das ist sicher so: Je grösser die Gruppe, desto unterschiedlicher die vertretenden Interessen. Natürlich sind es die Lehrbetriebe, die den Grundanspruch setzen und die Basisanforderungen an eine nachhaltige Ausbildung stellen. Die Lernenden werden aber nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Berufsfachschule und in den überbetrieblichen Kursen ausgebildet. Deshalb ist der Einbezug aller drei Lernorte in die Entwicklung der Bildungspläne wichtig und richtig.

Was ist dir von den Workshops am besten in Erinnerung geblieben?

Die unterschiedlichen Interessen führten teilweise zu harten Diskussionen. Diese brauchten viel, manchmal fast zu viel Zeit. Wir hatten deshalb manchmal Mühe, den zeitlichen Rahmen der Workshops einzuhalten. Letztendlich fanden wir aber immer wieder für alle Seiten akzeptable Kompromisse.

Was heisst das konkret: Bist du mit den entwickelten Bildungsplänen so zufrieden?

Grundsätzlich ja. Ich hätte mir bei einigen Punkten allerdings etwas grössere Veränderungen gewünscht. Manchmal brauchen Veränderungen aber einfach etwas mehr Zeit.

Wie gut sind wir mit den neuen Bildungsplänen auf die kommenden Generationen und ihre Ansprüche vorbereitet?

Diese Frage müsste man wohl eher jemanden aus der Generation Z oder Alpha stellen. Aus meiner Sicht ist die Frage einseitig und plakativ. Mir drängt sich hier ein Vergleich mit der „Huhn und Ei-Frage“ auf.

Der Kern der Berufsentwicklung ist der Bedarf der Branche. Aus meiner Sicht haben wir eine interessante und abwechslungsreiche Ausbildung, die das Grundbedürfnis der Elektrobranche befriedigt. Ich denke, wir sollten nicht anfangen, die Grundbildung zu verändern, nur um der nächsten Generation zu gefallen. Mit der Handlungskompetenzorientierung tun wir sicher etwas Gutes, um die Attraktivität unserer Berufe zu stärken. Wir müssen sicherlich auch das etwas verstaubte Image verbessern und Modernisierungsschritte einleiten. Aber das hat mehr mit der Umsetzung in den Betrieben als mit den eigentlichen Lehrinhalten zu tun.

Denkst du, dass die überarbeiteten Bildungspläne die Attraktivität der Elektroberufe für potenzielle Lernende beeinflussen?

Durch die Integration von aktuellen und praxisorientierten Inhalten erhalten die Lernenden einen realistischen Einblick in die Elektroberufe und erkennen so auch die Relevanz für ihre zukünftige Karrieren. Darüber hinaus verbessern die neuen Bildungspläne die Ausbildungsmöglichkeiten, da sie modernste Technologien und Branchentrends berücksichtigen.

Welche Elemente der neuen Bildungspläne könnten deiner Meinung nach dazu beitragen, das Interesse von jungen Menschen an einer Ausbildung in der Elektrobranche zu wecken?

Die Bildungspläne sind nicht das richtige Instrument, um das Interesse für die Grundbildungen zu wecken. Sie sind keine Marketingmassnahme! Bildungspläne bilden Inhalte aus der Praxis ab und sind für die Lernenden ab Ausbildungsbeginn relevant. Das Interesse an den Elektroberufen muss früher geweckt werden, zum Beispiel durch Informationsveranstaltungen in der Sekundarstufe I oder den Austausch mit Lehrerinnen und Lehrern sowie Eltern.

Glaubst du, dass die neuen Bildungspläne dazu beitragen, das Verständnis und die Wertschätzung für die Elektroberufe in der Öffentlichkeit zu erhöhen?

Ja, aber die Bildungspläne allein reichen dafür nicht aus. Das Problem der Wertschätzung liegt nicht nur auf der Ebene der Lernenden. Das Problem unserer Branche ist vielschichtiger. Wir müssen aber auch realistisch sein. Die Gesellschaft verändert sich ständig und die Anforderungen an einen Beruf, aber auch an einen Betrieb sind heute ganz andere als zu meiner Zeit, als ich mit der Lehre angefangen habe. Und in 10 Jahren wird es wieder anders sein. Unsere Aufgabe ist es, diese ständigen Veränderungen anzunehmen und bestmöglich umzusetzen.

Welche Massnahmen könnten deiner Meinung nach ergriffen werden, um die Sichtbarkeit und Attraktivität der Elektroberufe in der Gesellschaft zu verbessern?

Bei der Berufswahl spielen Lehrpersonen eine wichtige Rolle. Sie begleiten die Jugendlichen während des Berufswahlprozesses in ähnlicher Weise wie Eltern. Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, dass Lehrpersonen den Wert des dualen Bildungssystems, der Berufslehre und die vielfältigen Karrieremöglichkeiten kennen und ihren Schülerinnen und Schülern und - wenn nötig - auch den Eltern vermitteln. Hilfreich wären auch im Lehrplan integrierte Lernziele, die den Entscheid für eine Berufslehre zusätzlich fördern. Zudem finde ich es wichtig, dass Jugendliche und junge Erwachsene unsere Branche kennenlernen und Einblicke in die vielfältigen Elektroberufe erhalten, z.B. durch Berufsmessen, Praktika oder Mentoring-Programme. Dadurch kann Interesse geweckt, ein besseres Verständnis gefördert und falsche Vorstellungen abgebaut werden. Dazu kann auch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit beitragen: Sie kann das Image der Elektroberufe positiv beeinflussen.

Das Interview erschien im EIT.swiss Magazin 01/2024